Kredite mit Bitcoin - Rückblick auf eine spannende Paneldiskussion
Kredite mit Bitcoin. Wie könnten auch unter einem Bitcoin Standard grössere Infrastruktur Investitionen finanziert werden? Wir skizzieren vier Optionen, wie die Zukunft unter einem Bitcoin Standard aussehen könnte.
Guten Morgen allerseits,
Am Samstag vor einer Woche fand die Bitcoin Baden Konferenz statt. Ein grandioser Anlass, der dem bottom-up Charakter von Bitcoin entspricht und spannende Inhalte für viele Interessenten lieferte.
Tobias Straumann startete am Nachmittag mit einem Input-Referat zum Thema "Geschichte des Geldes". Im Anschluss haben sich Jürg Müller, Tobias Straumann und ich zu "Geld als Machtmittel" unterhalten. Moderiert wurde das Gespräch vom Chefredaktor des Schweizer Monat, Ronnie Grob.
Vorab: Es war ein sehr spannendes und gutes Gespräch. Wider erwarten traf ich nicht auf zwei grundsätzliche Gegner von Bitcoin, sondern vielmehr auf interessierte und kompetente Beobachter der globalen Finanzwelt. Es gab auch relativ schnell Einigkeit über zwei Punkte:
Die aktuelle Geld- und Währungspolitik hat grosse Probleme (Jürg Müller und ich wetteten auf eine Währungsreform in den nächsten zehn Jahren, Tobias Straumann gibt dem Ganzen noch länger).
Bitcoin als Vermögenswert ist unbestritten, lediglich bei der Rolle als Währung oder als Transaktionsmittel trennten sich die Meinungen.
Wohingegen wir das Gespräch mit noch vielen offenen Fragen beenden mussten, war im Bereich des Kreditwesens. Konkret drehte sich die Diskussion um folgende Frage:
❓ Wie würde in einem Bitcoin System ein Gotthard Tunnel (oder andere Infrastruktur Investitionen) mit sehr hohen Kosten und möglichem Nutzen über >100 Jahre finanziert?
Mit diesem Newsletter versuche ich mich an möglichen Zukunftsszenarien. Hoffentlich finden wir die Gelegenheit, diese Optionen in einer Folgediskussion zu besprechen.
TLDR - Alles Relevante in weniger als 60 Sekunden
Auch unter einem Bitcoin Standard gäbe es ein Kreditwesen. Wir haben uns mit vier verschiedenen Möglichkeiten auseinandergesetzt, wie Kredite funktionieren könnten mit einer ultimativ limitierten und deflationären Währung.
Option 1 würde keine Geldvermehrung erlauben. Alles würde in Bitcoin bezahlt und Kredite könnten auch ausschliesslich in Bitcoin ausgegeben werden. Damit würde massiv weniger investiert, die Qualität der Investitionen dürfte sich aber stark verbessern.
Option 2 würde dem Staat das Währungsmonopol wegnehmen. Stattdessen könnten private Unternehmen Währungen schaffen und würden sie, je nach Risikoappetit, mit Bitcoin hinterlegen. Damit stünde einem Kreditmarkt nichts im Weg.
Option 3 würde es Banken erlauben, Bitcoin analog dem heutigen System zu schöpfen. Aufgrund des "not your keys, not your coin" Mantras und der grossen Abneigung gegenüber Papier-Bitcoin wird das aber sehr schwierig umzusetzen.
Option 4 sieht Bitcoin als Vermögenswert auf der Bilanz der Nationalbanken. Damit ändert sich nichts am Kreditwesen, Währungen würden langfristig einfach ein grösseres Vertrauen geniessen.
Anzahl Wörter: 1'150, ungefähre Lesezeit: ca. 7 Minuten und 30 Sekunden
Ausgangslage: Kredit so weit das Auge reicht
Im heutigen Fiat System werden Investitionen mit Krediten finanziert. Und diese Investitionen nahmen ein noch nie dagewesenes Ausmass an. Aufgrund der stets tieferen Zinsen konnten sich Staaten (public debt), Privatpersonen (Household debt) und Unternehmen (NFC,non-financial corporations debt) immer mehr verschulden.
Global stehen wir bei USD 307 Billionen (USD 307'000'000'000'000) Schulden. Oder rund 2.5 mal die gesamte globale Wirtschaftsleistung in einem Jahr.
Die Kritik bei der Paneldiskussion war dann auch, dass diese Geldschöpfung aus dem Nichts mit Bitcoin nicht mehr möglich wäre. Damit würde die Wirtschaft zusammenbrechen oder langfristige Investitionen wären nicht mehr möglich.
Möglichkeit 1: die puristische Bitcoin Lösung
In Teilen der Bitcoin Community wird Bitcoin als einzig mögliche Währung angesehen. Sollte das je so eintreffen, spricht man von Hyperbitcoinization.
Dabei geht man davon aus, dass die Währung fix sein muss und abgesehen von der vordefinierten Anzahl (21 Millionen bis ca. im Jahre 2140 bei Bitcoin), gäbe es keine Möglichkeit, neues Geld zu schaffen.
Auch in dieser Welt gäbe es ein Kreditwesen. Eine Investition in eine zweite Gotthard-Röhre könnte beispielsweise durch Kredite auf dem Privatmarkt finanziert werden. Bestehende Bitcoin würden ausgeliehen und die Kreditgeber würden über Zeit in Form von Bitcoin-Zinsen entlöhnt werden.
Beispielsweise kostet die zweite Gotthardröhre rund CHF 2 Mrd. Das entspricht Stand heute rund 50'000 Bitcoin. Die könnten von Bitcoin Haltern ausgeliehen werden und dafür müsste man sie bspw. mit 5% p.a. in Bitcoin (2'500 BTC) bezahlen. Bei einer Bauzeit von rund 13 Jahren hätte die Kreditoren Anrecht auf 82'500 Bitcoin (50k Investition und 32.5k Zinsen über Zeit).
Die direkte Folge daraus wäre eine massive Einschränkung, mit klarem Fokus auf absolut zentrale Investitionen. Es ist davon auszugehen, dass unter einem Bitcoin Standard die Qualität und die Umsetzung verschiedener Bauprojekte zunehmen würde, die Anzahl aber massiv kleiner wäre.
Möglichkeit 2: Konkurrenzierende, private Währungen mit Bitcoin als Basis
Eine zweite Möglichkeit wären verschiedene private Währungen, die gegeneinander konkurrenzieren. Um Vertrauen herzustellen, würden sie Bitcoin als Basis hinterlegen.
So gäbe es, wie in der heutigen Privatwirtschaft, bessere und schlechtere Optionen für die Gesellschaft. Die besseren und vertrauenswürdigeren würden wohl eine höhere Bitcoin Deckung anstreben, während spekulativere und risikofreudigere Unternehmen wenig oder gar keine Bitcoin auf ihrer "Währungs"-Bilanz haben.
In der heutigen Zeit ist so ein System mit der Schweizer Wir-Währung oder gewissermassen auch mit dem USD Stablecoin Tether zu vergleichen. In einer wildwest und höchst spekulativen Form auch in der Crypto-Industrie.
Ein solcher Markt würde dementsprechend natürlich auch verschiedene Arten von Krediten erlauben. Eine Gotthardröhre könnte durch etwelche Währungen finanziert werden. Die Frage ist lediglich, welche von den Baufirmen akzeptiert werden würde und in welchen ein ausgebauter Kreditmarkt vorhanden ist.
Friedrich A. Hayek hat eine solche Geldpolitik bereits in früheren Jahren skizziert:
Möglichkeit 3: Geldschöpfung durch Finanzinstitute analog dem heutigen System
Heutzutage tragen die Banken den signifikanten Teil der Geldschöpfung. Spareinlagen bei Banken werden in Form von Krediten weitergegeben. Diese Kredite werden wiederum bei Banken in Konten angelegt und so weiter und so fort.
Damit entsteht ein vielfaches der ursprünglichen Geldmenge. Das ist auch der Hauptgrund, wieso Banken so anfällig auf "bank runs" sind, sie haben jeweils nur einen Bruchteil der Einlagen verfügbar.
So ein System ginge theoretisch auch unter einem Bitcoin Standard. Finanzinstitute könnten Bitcoin Halter mit Zinsen dazu verleiten, ihre Bitcoin verwalten zu lassen. Auf der anderen Seite vergeben sie Kredite. Auch da könnten sie mehr Kredite ausgeben, als Einlagen vorhanden wären.
Das "Problem" für Finanzinstitute ist dabei die Verifizierbarkeit für jedermann. Das Mantra "not your keys, not your coins" dürfte sich weiter durchsetzen. Es dürfte also massiv schwieriger werden, erstens die Bitcoin überhaupt zu verwalten und zweitens, die Anleger ähnlich hinters Licht zu führen, wie es heutzutage passiert.
Möglichkeit 4: Bitcoin dient als Sicherheit der staatlichen Fiat-Währungen
Und last but not least besteht die Option, dass an der Front alles so bleibt wie bislang. Stattdessen werden Notenbanken aber Bitcoin als Sicherheit auf ihre eigene Bilanz nehmen. Damit stärkten sie das Vertrauen in die eigene Währung durch einen nicht manipulierbaren, ultimativ limitierten und zensurresistenten Vermögenswert.
Das wäre die von Michael Saylor propagierte Lösung:
Damit ändert sich natürlich auch nicht viel an der bestehenden Kreditpraxis. Währungen würden lediglich härter werden und man käme einem vergangenen Gold Standard nahe.
Fairerweise muss man hier sagen, dass meine beiden Diskussionskollegen auf dem Panel diese Option wohl nicht a priori ausschliessen würden. Sie haben Bitcoin den Aspekt des Vermögenswerts nicht abgesprochen.
Fazit: Wir werden sehen
Ich persönlich bin - surprise surprise - fest davon überzeugt, dass sich Bitcoin durchsetzen wird. Die Option 4 ist die wahrscheinlichste und geschieht auch schon so (bspw. in El Salvador).
Der Wert von Bitcoin wird mehr und mehr verstanden in der traditionellen Finanzwelt. Ich gehe dementsprechend davon aus, dass es auch mehr Notenbanken geben wird, die Bitcoin auf ihre eigene Bilanz nehmen. Damit werden sie langfristig das Vertrauen in die Währung stärken. Wieso das auch die SNB machen sollte, habe ich letzte Woche erläutert.
Als Anhänger eines komplett freien Marktes, fände ich Option 2 enorm spannend und sehe es als gewinnbringend für die Gesellschaft. Aber bis dahin ist es noch ein langer und mit vielen Hindernissen und Unsicherheiten gepflasterter Weg...