Selecta mit fragwürdiger Krypto-Wahl
Selecta hat mit der Ankündigung, künftig Kryptozahlungen zu akzeptieren, Aufsehen erregt. Wir zeigen, wieso der Wahl des Anbieters aber grosse Fragezeichen aufwirft.
Hallo miteinander,
Selecta, die Marktführerin im Bereich der Kaffee- und Convenience-Automaten, hat letzte Woche angekündigt, künftig Kryptozahlungen zu akzeptieren. So titelte das Branchenportal finanzen.ch "Kryptozahlungen an Automaten: Selecta will Zahlungsinfrastruktur ausbauen." und der Blick "Bald kannst du ein Snickers mit Bitcoin bezahlen".
Als bekennender Bewunderer und grossem Verfechter von Bitcoin schlagen mir da jeweils zwei Herzen in einer Brust. Zum einen ist es natürlich positiv für Bitcoin und dessen Bekanntheit im Markt als Zahlungsmittel. Zum anderen impliziert die Schlagzeile auch, dass verschiedene Kryptowährungen angeboten werden und wiederum kein Unterschied ggü. Bitcoin gemacht wird. Das ist falsch.
In diesem konkreten Fall liess aber die Wahl des "Krypto" Anbieters besonders aufhorchen. Solana-Pay? Also dieses Solana, welches stark mit dem gerade verurteilten Krypto-Betrüger, Sam Bankman-Fried, verknüpft ist?
Wir gehen der Sache auf den Grund und finden "spezielle" Verbindungen zwischen dem Selecta Management und der Solana Stiftung.
TLDR - Alles Relevante in weniger als 60 Sekunden
Selecta hat angekündigt, künftig Kryptozahlungen anzubieten. Was an sich noch wenig spektakulär ist, so ist die Wahl des Kryptoanbieters resp. des Tokens eine grosse Überraschung.
Solana ist höchst umstritten. Neben mehreren technischen Aussetzern ist insbesondere die Nähe zum verurteilten Krypto-Betrüger Sam Bankman-Fried problematisch. Die starke Bevorteilung des Gründerteams und offene Rechtsstreitigkeiten mit der SEC kommen erschwerend hinzu.
Recherchen ergeben, dass der CEO von Selecta und die Präsidentin von Solana nicht nur eine gemeinsame berufliche Vergangenheit haben. Sie scheinen auch zusammen zu wohnen, resp. gehört ihnen gemeinsam ein Haus in San Francisco. Es dürfte sich wohl um seine Lebenspartnerin handeln.
Die grossen Interessenskonflikte scheinen vorerst niemanden zu stören. Die Legitimation, die eine solche Partnerschaft einem Krypto-Projekt gibt ist aber nicht gerechtfertigt.
Diese Geschichte ist ein weiterer Beweis dafür, dass Bitcoin nicht mit Krypto vergleichbar ist.
Anzahl Wörter: 1'160, ca. 7 Minuten 30 Sekunden Lesezeit
Basics zum Start: Wieso Bitcoin und nicht Krypto?
Nun gut, dass "Bitcoin. Nicht Kryptowährungen. Nur Bitcoin" das Gebot der Stunde sein sollte, sollte regelmässige Leserinnen und Leser von Coprnic nicht überraschen. Wir möchten hier auch nicht ins Technische abdriften, generell ist einfach folgendes wichtig:
Bitcoin ist ein auf jahrzentelangem Research aufbauendes, Gründer- und Management-loses Protokoll. Es ist optimiert auf Sicherheit und Dezentralität. Es ist ein globales, frei verfügbares, ultimativ limitiertes, politisch neutrales, unabhängiges Geld, bei dem man niemandem vertrauen muss. Und welches durch nichts und niemanden verändert werden kann.
Krypto-Projekte sind ca. 95% Betrug, 4% sind Unternehmen, welche über kurz oder lang scheitern werden und 1% werden vermutlich (sehr) erfolgreiche Unternehmen. Aber sie sind genau das. Unternehmen. Keine Protokolle.
Wieso man bei Solana besonders skeptisch sein sollte
Und genau ein solches Krypto-Projekt ist Solana. Ohne uns auf die juristische Definition von Betrug zu fokussieren, gibt es für schon einige Fragezeichen zum Start:
Die beiden Gründer von Solana, Anatoly Yakovenko und Raj Gokal, sind beide bekannt, noch aktiv und haben grossen Einfluss auf die Entwicklung von Solana.
Bereits vor dem ersten Verkauf der Solana Tokens wurden >40% (mit der ersten Finanzierungsrunde >60%) an Insider vergeben.
Die Finanzierungsrunden entsprechen exakt denen eines Start-Ups.
Die Seed Sale Runde wurde durch Sam Bankman-Fried angeführt.
Als Resultat ist nur ein kleiner Prozentsatz der Tokens liquide. Das heisst, die Gründer, die von ihnen kontrollierte Stiftung und die ersten Seed Investoren (SBF) können/konnten den Kurs fast nach Belieben manipulieren.
Diese Punkte reichen eigentlich schon aus, um einen weiten Bogen um Solana zu machen. Könnte man meinen.
Zusätzlich kamen aber massiv technische und juristische Probleme hinzu:
Am 03. August 2022 wurden mehr als 9'200 Solana Wallets gehackt.
Am 01. Juli 2022 wurde eine Sammelklage gegen Solana und deren Gründer wegen Irreführung der Investoren eingereicht.
Im Juni 2023 wurde Coinbase von der SEC (amerikanische Börsenaufsichtsbehörde) eingeklagt, weil sie mit Solana (und elf weiteren Kryptos) nicht registrierte Aktien verkaufen.
Die Solana Blockchain wurde schon an mindestens drei Tagen wegen Störungen ausgesetzt (Bloomberg, CNBC, Fortune und viele mehr)
Der bekannte Bitcoin Analyst, Dylan LeClair, hat über die Jahre immer mal wieder über SBF und Solana geschrieben. Ist alles hier nachzulesen.
Wir fassen zusammen: Mehrere Rechtsstreitigkeiten, eine Verteilung der Tokens, welche in erster Linie die Gründer reich machen, regelmässige technische Probleme, von Dezentralität und Sicherheit keine Spur, Deutliche Bezeichnung der Behörden als nicht registrierte Aktien und ein verurteilter Betrüger als enger Verbündeter.
Nicht sehr vertrauenswürdig.
Wieso arbeitet Selecta also mit Solana zusammen?
Eine kurze Google Recherche genügt und man findet alle die oben genannten, und noch viele weitere, red flags. Man fragt sich also, wieso ein Unternehmen dieser Grösse ausgerechnet diesen Partner für ihre "Kryptozahlungen" auswählt? Egal wie Solana und Solana-Pay genau zusammenarbeiten, wieso geht man dieses Risiko und arbeitet mit einem fragwürdigen Projekt?
Wie immer in solchen Situation lohnt es sich, den Verlauf des Geldflusses (wer profitiert inwiefern von einer solchen Partnerschaft) und persönliche Beziehungen anzuschauen. Und da zeigt sich erstaunliches.
Die "president of the management of the solana foundation", Lily Liu, hat eine berufliche Vergangenheit bei KKR und McKinsey
Der seit Mai 2020 aktive CEO von Selecta, Christian Schmitz, hat ebenfalls eine berufliche Vergangenheit bei KKR und McKinsey
So weit so gut, berufliche Verbindungen können ja auch mal länger halten. Was dann aber stark ins Auge fällt, ist dass die beiden offensichtlich auch zusammen ein Haus in San Francisco besitzen.
Es fällt schwer zu glauben, dass eine 3-Zimmer Immobilie mit einem Bad einer rein geschäftlichen Beziehung entspringt.
Gemäss ihrem Linkedin Profil wohnt sie auch in der Schweiz. Und Christian Schmitz hat in Interviews bestätigt, dass er Kinder hat und sie jetzt endlich in die Schweiz zogen.
Die Zeichen deuten darauf hin, dass die Präsidentin der Solana Stiftung die Lebenspartnerin des CEO von Selecta ist. Damit würden sie beide stark von einer solchen Partnerschaft profitieren.
Als neutraler Beobachter fragt man sich da ob der Corporate Governance. Informiert man sich allerdings noch ein bisschen weiter in diese Richtung, findet man schnell weitere überraschende Entscheidungen in der Vergangenheit. So hat Selecta bereits ihre cashless Infrastruktur in den letzten Jahren neu aufgebaut. Auch da kam ein Anbieter zum Handkuss bei dem der Chairman von Selecta gross investiert ist. Aber hier bei Coprnic geht es primär um Bitcoin, deshalb lasse ich in diesem Zusammenhang die Interpretation und die Überprüfung der Corporate Governance anderer.
Fazit: Vorsicht bei Krypto Projekten
Dreht sich Coprnic um die Corporate Governance grösserer Konzerne? Nein, definitiv nicht. Sind Interessenskonflikte der Geschäftsleitungsmitglieder die Spezialität von Coprnic? Nein, mitnichten. Sehen wir uns als Journalisten mit investigativem Auftrag? Ganz sicher auch nicht.
Wieso schreiben wir also darüber? Aus zwei Gründen:
Bitcoin ist nicht gleich Krypto. Es gibt fundamentale Unterschiede und die öffentliche Berichterstattung ist diesbezüglich immer wieder falsch. Coprnic hat sich zum Ziel gesetzt, einen Teil zur Aufklärung beizusteuern und die Leute auf Unterschiede hinzuweisen.
Krypto Projekte werden fälschlicherweise legitimiert durch solche Partnerschaften wie zwischen Selecta und Solana. Dadurch haben gerade in den vergangenen 24 Monate viele ahnungslose viel Geld verloren. Wir bei Coprnic möchten auf solche Missstände hinweisen und so hoffentlich mithelfen, dass sich weniger die Finger verbrennen.
Ich überlasse dementsprechend auch die Interpretation der obigen Punkte richtigen Journalisten. Ich kann und will auch nicht abschliessend beantworten, ob in irgendeiner Form etwas nicht rechtens vonstatten ging oder ob gängige Corporate Governance Richtlinien eingehalten wurden. Aber man sollte sicher A) Fragen stellen und B) nicht einfach planlos irgendwelchen Krypto Projekten hinterher laufen, nur weil ein Konzern mit ihnen arbeitet.
Die Gründe dafür können verschiedener Natur sein... Es sind halt alles immer Menschen am Ruder.
Ausser bei Bitcoin, da ist der Mensch machtlos. Physik und Mathematik definieren wo's lang geht.