USD auf der Intensivstation?
Der USD als globale Leitwährung steht zur Diskussion. Die OPEC+ und die BRICS Staaten arbeiten an Alternativen. Wieso das für die USA sehr wichtig ist und wie sie davon profitieren behandeln wir heute.
Grüezi und einen guten Morgen aus Zürich,
Neben den Turbulenzen der Bankenwelt während den letzten Wochen müssen wir unser Augenmerk auch auf geopolitische Entwicklungen legen. Und da gibt es momentan spektakuläre Veränderungen. Spektakulär insofern, weil sich die Zeichen mehren, dass wir uns von einer Welt mit dem USD als alleinige globale Reserve- und Handelswährung zu einer multipolaren Welt mit verschiedenen Machtzentren entwickeln. Hört sich erstmal nicht so spannend an - ist es aber.
Wir starten mit einer Übersicht der sieben wichtigsten Geschehnisse der letzten Woche. Zum Abschluss erklären wir dann, wieso das für die westliche Welt wichtig ist.
Doch das Wichtigste zuerst:
TLDR - Alles Relevante in weniger als 60 Sekunden
Der USD als globale Reserve- und Handelswährung wankt.
Die BRICS Staaten handeln in ihren eigenen Währungen und arbeiten an einer Gemeinschaftswährung, um die Abhängigkeit vom USD zu lösen.
Zusätzlich drosseln die OPEC+ Staaten ihre Öl Produktion und erhöhen so weiter den Druck auf die Inflation in den westlichen Staaten.
Die USD Vorherrschaft hat für die USA grosse Vorteile. Sie finanzieren ihr Wachstum von anderen Ländern und können de-facto Energie "drucken" durch ihre eigene Währung.
Würde der Status des USD fallen, hätte das potenziell katastrophale Auswirkungen auf die USA und deren Bevölkerung (Hyperinflation und Depression).
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Die sieben wichtigsten geopolitischen Ereignisse der letzten sieben Tage
Saudi-Arabien schliesst ein Handelsbündnis mit den BRICS Staaten (Brasilien, China, Russland, Indien, Südafrika), Pakistan und vier zentralasiatischen Staaten, um die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern.
Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) entwickeln künftig eine neue gemeinsame Währung, mit der sie künftig Handel betreiben möchten.
China und Brasilien wickeln ihren Handel ab sofort in ihren eigenen Währungen ab und geben den US-Dollar als Handelswährung auf. Zudem übertrifft der chinesische Yuan das erste Mal den Euro in den brasilianischen Fremdwährungsreserven.
Der Verband Südostasiatischer Nationen erwägt die Abschaffung des US-Dollars, des Euros, des Yens und des Britischen Pfunds für Finanztransaktionen in Landeswährung.
Kenia unterzeichnet ein Abkommen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten über den Kauf von Öl mit kenianischen Schillingen anstelle von US-Dollar. Gleichzeitig ermahnt der Kenianische Präsident das Volk, sofort aus dem US Dollar auszusteigen.
Saudi-Arabien geht eine Partnerschaft mit China ein, um eine chinesische Ölraffinerie für 83,7 Mrd. Yuan (12,2 Mrd. USD) zu bauen.
OPEC+ (Saudi-Arabien, Russland, UAE, Irak, Kuwait, Oman und Algerien) drosseln ihre Ölproduktion drastisch bis Ende 2023. Damit wird der Inflationsdruck weiter hoch bleiben.
Es gäbe noch weitere äusserst spannende Handlungen der letzten Tage. Vorerst beschränken wir uns auf diese sieben und die Kernbotschaft: Es passieren einige höchst relevante Dinge in der geopolitischen Landschaft und es lohnt sich, diese ganz genau zu beobachten.
Heisst das, dass die Zeit des USD schon final schlug? Nein, dafür ist es noch zu früh. Da gibt es noch einige Fragezeichen am Horizont (bspw. wie lange währt das Vertrauen der BRICS Staaten zueinander, wie stabil wäre so eine Währung etc. etc.). Ausserdem hat man in der Vergangenheit immer mal wieder den Abgesang auf den USD eingeläutet und irgendwie schaffte es die USA immer, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Aber so lange das Weisse Haus solche Weisheiten von sich gibt, darf man zumindest gespannt sein, wie sich die Lage entwickelt:
Abgesehen davon wäre eine ganz neutrale Währung ohne Gegenparteirisiko, und mit glasklarer und nicht veränderbarer Geldpolitik, sowieso einer von Mensch gemachten USD-Alternative zu bevorzugen. Ich hätte da eine Idee...
Wieso ist das wichtig für die westliche Welt?
Geld resp. Währungen werden in der Bevölkerung primär als "Tauschmittel" wahrgenommen. Teilweise werden dann noch die anderen beiden klassischen Eigenschaften "Wertaufbewahrungsmittel" und "Rechnungseinheit" erwähnt. Diese drei Eigenschaften werden der tatsächlichen Relevanz aber noch nicht gerecht.
Zwei enorm wichtige Eigenschaften kommen nicht genug zur Geltung:
Aggregation sämtlicher Wirtschaftsinformationen: Wie hoch schätzt die Gesellschaft den Wert einer Dienstleistung oder einer Ware? Wieviel Wert hat meine Zeit? Wieviel Wert hat die Arbeitsleistung meines Nachbars? Wie messen wir die Leistung von Bäuerinnen in Nigeria und wie steht das im Verhältnis zu einer automatisierten Landwirtschaftsproduktion in den USA? Und so weiter und so fort. Einfach alles, was in der Welt passiert, wird in irgendeiner Form im Geld aggregiert und bewertet. Natürlich kann man das unter "Rechnungseinheit" subsummieren, aber der Begriff an sich entspricht der Wichtigkeit bei weitem nicht.
System der Kontrolle: Während Geld in verschiedenen Formen schon seit hunderten von Jahren existiert, dient es erst seit den 1970er Jahre als System zur Kontrolle des (Welt-)geschehens. Erstens hat US-Präsident Nixon den Goldstandard (d.h. die fixe Konvertierung des USD in Gold) 1971 abgeschafft und damit den USD als weltweite Reservewährung etabliert. Zweitens hat er mit dem Bank Secrecy Act erstmals die Vorschriften für Banken erhöht, um damit die Kontrolle der Bürger zu erhöhen. Und - ganz wichtig - hat er drittens mit Saudi Arabien den Deal abgeschlossen, dass Öl ab sofort weltweit in USD gehandelt wird. Als Gegenleistung verpflichtete sich die USA Saudi Arabien mit Waffen zu beliefern und sie im arabischen Raum zu beschützen. Dieser Deal (auch Petrodollar genannt) hält bis heute. Zumindest jetzt noch.
Was würde also eine Abkehr des USD als globale Reserve- und Handelswährung bedeuten?
Für die USA, und damit wohl auch für den Rest der westlichen Welt, hätte es schwerwiegende Folgen. Der US-Dollar, so wie er heute positioniert ist, hat drei riesige Vorteile für die USA:
USA kann Energie "drucken": Kein anderes Land der Welt hat die Möglichkeit, Energie einfach zu drucken. Alle anderen Länder müssen Wert generieren, um Energie als Wichtigstes Gut überhaupt abzuschöpfen. Die USA nicht. Sie können Dollar neu kreieren und direkt auf dem Weltmarkt einkaufen. Klar, andere Länder können auch ihre eigenen Währungen drucken und in USD wechseln - das geht aber immer nur so lange, wie das Vertrauen in die Währung hält.
Nachfrage nach USD ist riesig: Dadurch, dass der globale Energiemarkt in USD gehandelt wird, bleibt die Nachfrage nach ebendiesem immer gross. Das heisst, der Inflationsdruck bleibt trotz Erhöhung der Geldmenge kleiner als bei anderen Währungen. Davon und in Kombination mit Punkt drei profitiert die amerikanische Wirtschaft und der Staat.
US-amerikanisches Wachstum wird vom Ausland finanziert: Die USA operieren seit 1976 (also rund zwei Jahre nach dem Einführen des Petrodollar Regimes) mit einem Handelsdefizit. Das heisst, sie importieren mehr Produkte/Dienstleistungen als sie exportieren. Zudem ist der amerikanische Staat mittlerweilse mit > 31'000 Mrd. USD verschuldet. Das heisst, sie finanzieren ihr Wachstum, ihre Kriege und den Ausbau des Staates ausschliesslich mit Schulden. Diese Schulden werden zu mehr als einem Drittel von ausländischen Staaten finanziert. Die machen das aber nur, weil der USD die globale Reservewährung ist und sie die Reserven jeweils brauchen, um die eigene Währung zu stützen.
Summa Summarum - es ist nicht davon auszugehen, dass die grösste Militärmacht der Welt eine Abkehr vom USD als weltweit wichtigste Währung einfach so hinnehmen wird.
Überraschenderweise ist diese geopolitische Gefahr sogar schon von CNN aufgenommen worden: