Für welche Unternehmen ist Bitcoin auf der Bilanz attraktiv?
Oder anders gefragt - bei welchen Unternehmen ist eine solche Ankündigung mittelfristig am wahrscheinlichsten?
Guten Morgen allerseits,
Der Newsletter von letzter Woche “Unternehmen speichern ihr Vermögen in Bitcoin - eine Erfolgsgeschichte” hat einige Reaktionen, sowohl im persönlichen Gespräch als auch über die verschiedenen Plattformen, mit sich gebracht. Unter anderem hat sich mit Tobias Angehrn ein ausgewiesener Experte die Zeit genommen für diesen kritischen Kommentar. Tobias ist Gründer der KMU Liquiditätsplattform Tresio und versteht dementsprechend sein Metier.
Er ist generell kritisch ggü. Bitcoin auf der Unternehmensbilanz und hat einige valide Punkte aufgebracht. Das ist sehr geschätzt und hat mich zum Weiterdenken angeregt.
Heute gehen wir deshalb einen Schritt weiter, nehmen die Kritikpunkte auf und identifizieren, für welche konkreten Industrien und Unternehmen Bitcoin auf der Bilanz tatsächlich spannend sein könnte und wieso das so ist.
TLDR - Alles Relevante in weniger als 60 Sekunden
Bitcoin auf der Unternehmensbilanz ist für viele - aber nicht für ganz alle - Unternehmen attraktiv. Attribute von Unternehmen, bei denen eine “Bitcoin als Treasury Asset”-Strategie Erfolg verspricht:
langfristiger Fokus mit starkem Anker-Aktionariat
Wenig Wachstumschancen in der angestammten Industrie. Wie bspw. Tabak, Grundversorgung, Konsumgüter etc.
Hohe Inflation bei Input-Kosten mit limitierter Möglichkeit, diese an Kunden weiterzugeben. Wie bspw. Luxusgüter- und Bauindustrie
Kontinuierlich schlechte Performance des Aktienpreises ggü. Benchmark trotz intakter Fundamentaldaten
Institutionelles Aktionariat mit Kapitalgewinnsteuer-Verpflichtung
Aufgrund der sehr positiven Reaktion der Finanzmärkte erstellen Anlageberater bereits Listen mit möglichen Unternehmen, welche als Nächstes Bitcoin auf die Bilanz nehmen könnten. Hoch oben auf der Liste stehen US-Firmen wie bspw. Starbucks, Nike, Target, Walmart etc.
Anzahl Wörter: 1’256, Lesezeit: ca. sechs Minuten
Welche konkreten Punkte an “Bitcoin für die Unternehmensbilanz” wurden kritisiert?
“Aktienpreis von MicroStrategy ist nicht mehr durch das operative Geschäft definiert, sondern explizit durch das Halten von Bitcoin.” => das ist korrekt. MicroStrategy hat anfänglich defensiv Bitcoin gekauft, um den Verlust ihres Vermögens abzusichern. Mit steigender Überzeugung wechselte man in eine offensive Strategie und offerierte Aktieninvestoren ein Produkt, um über die MSTR 0.00%↑ Aktie quasi Bitcoin zu halten.
“Fair-value Accounting führt zu massiven Kursschwankungen und operative Effizienz wird nebensächlich” => Da bin ich nicht einverstanden. Erstens ist es eine Frage des Masses. Halte ich 100% des gesamten Kapitals in Bitcoin (inkl. Cash Flow relevanten Positionen) und segle damit hart am Wind oder geht es um 10% der Liquiditätsreserven, welche das Unternehmen mit grosser Wahrscheinlichkeit in den nächsten fünf Jahren nicht benötigt. Ein riesiger Unterschied. Und Zweitens aber sind Währungsfluktuationen ein Problem, welches jedes Unternehmen im Import/Export bedienen muss. Nur sollte man idealerweise immer vom operativen Cash Flow mit weichen Währungen in harte Währungen als Reserve wechseln. Bspw. wird ein Unternehmen, welches in der Türkei, Deutschland und der Schweiz tätig ist, ziemlich sicher auch genau dieser Reihenfolge entlang Währungen halten. Türkische Lira ist extrem volatil (einfach nur gegen unten), wird also kaum gehalten, der Euro ist weniger volatil (aber auch nur nach unten) und der CHF ist relativ stabil. Und keine Währung ist härter als Bitcoin, wenn auch zugegeben noch volatil (aber primär nach oben).
“Steuerliche Auswirkungen sind nicht unerheblich, insbesondere bei fair-value accounting”: Das ist wiederum korrekt. In der Schweiz haben wir die international sehr wenig verbreitete Situation, dass wir keine Kapitalgewinnsteuern haben als Privatpersonen. Für Unternehmen ist das allerdings anders. Verkauft man Bitcoin als Unternehmen also wieder (bei kontinuierlichem Halten fallen die Steuern nicht an), ist das als Unternehmen steuerrelevant. Für Privatpersonen nicht. In fast allen anderen Ländern sieht das aber anders aus, mehr dazu unten.
“Bitcoin ist nicht liquide aufgrund der teilweise starken Kursschwankungen”: Da bin ich gar nicht einverstanden. Liquidität heisst nicht Volatilität. Bitcoin ist 24/7 handelbar und hat damit eine massiv bessere Preistransparenz als herkömmliche Finanzprodukte. Bitcoin wird während 168 Stunden pro Woche gehandelt, Fiat Währungen während 120 (= 29% weniger handelbar), andere Finanzprodukte wie Aktien, Obligationen etc. gar nur an 40 (= 76% weniger handelbar). Während der ganzen Zeit werden hunderte Millionen USD/CHF/EUR in Bitcoin gehandelt. Der Preis in Fiat Währungen gemessen ist volatil, korrekt. Aber das hat nichts mit Liquidität zu tun. Der Preisfindungsmechanismus, und damit die Liquidität, des Marktes spielt so gut wie in keinem anderen Finanzinstrument.
Für welche Industrien lohnt es sich, Bitcoin als Vermögenswert einzusetzen?
Wie man sieht, gibt es durchaus nicht nur goldige Seiten am Bitcoin Plan. Für einige Firmen überwiegen die Vorteile. Welche Art von Unternehmen sind das? Wir haben eine Liste mit relevanten Kriterien zusammengestellt:
Relativ hohe Cash-Flows aber keine Wachstumsprojekte in Sicht: Profitable Unternehmen in abnehmenden oder wenig zukunftsweisenden Industrien. Diese können entweder das Geld an die Aktionäre mittels Dividenden auszahlen, innovative Projekte vorantreiben oder aber eben, ihre Reserven in Bitcoin anlegen. Das trifft typischerweise für folgende Industrien zu:
Grundversorgung: Energie, Wasser, Gas etc. Das sind alles Firmen, welche relativ stabil Geld verdienen, aber Wachstumsprojekte limitiert sind.
Tabak: Tabakfirmen operieren höchst profitabel, durch Regulation und Veränderung der Lebensweise wird der Konsum aber kontinuierlich abnehmen.
Konsumgüter: Der Markt ist sehr gesättigt, Wachstum gelingt meist nur durch Verdrängung und nicht durch Wachstum. Geldfluss ist aber trotz tiefer Margen erheblich und Reserven meist hoch.
Hohe Inflation bei Input Preisen und limitierte Möglichkeiten, diese an Kunden weiterzugeben: Inflation wäre weniger problematisch, wenn die Geldentwertung simultan und über alle Kosten gleich wäre. Das heisst, Preise würden bei Rohstoffen, Löhnen und Verkaufspreisen immer gleichzeitig um den gleichen Faktor erhöht. Das ist aber in der Realität nie der Fall. Für Firmen, welche mit einer besonders grossen Diskrepanz zu kämpfen haben, ist eine Investition in Bitcoin je nach dem sinnvoll. Das sind typischerweise:
Luxus- und andere nicht lebensnotwendige Güter: hochpreisige Automobilindustrie, High-End Kleider- und Sportartikelhersteller, Kaffeeketten etc. können oftmals die Preise nicht 1:1 an Kunden weitergeben, da die Nachfrage stärker abnimmt bei steigenden Preisen.
Bauindustrie: Rohstoffe sind stark fluktuierend und ziehen teilweise stark an im Preis. Grössere Bauprojekte sind oftmals mit monatelangen Verträgen (und Preisen) gebunden.
Kontinuierlich schlechte Aktien-Performance und vergleichsweise tiefe Bewertung: Wenn der Aktienpreis über mehrere Monate der Vergleichsgruppe hinterherhinkt, ist das Management oft gezwungen, aktiv zu werden. Eine neue Wachstumsstory muss präsentiert, Fantasie geweckt werden. Hier jede Industrie einzeln zu beleuchten, würde den Rahmen sprengen, aber eine Sektoranalyse und Marktkapitalisierungsvergleiche zu ziehen dürfte sinnvoll sein.
Ankerinvestoren mit langfristigem Horizont: Die strategische Ausrichtung wird wesentlich durch die Zusammensetzung des Aktionariats bestimmt. Bitcoin ist zweifellos volatil, gemessen in Fiatwährungen. Aber Bitcoin ist mindestens so zweifellos das renditestärkste Investment der letzten 15 Jahre. Was ein Unternehmen also braucht für eine erfolgreiche Bitcoin Strategie ist einen langfristigen Fokus, überschaubare Entscheidungswege und Ruhe im Aktionariat. Das ist nicht bei vielen Publikumsgesellschaften der Fall, bei nicht börsenkotierten aber fast immer.
Aktionäre bezahlen Kapitalgewinnsteuern: Wie oben erwähnt, es gibt gute Argumente, in der Schweiz das Kapital lieber an (private!) Aktionäre auszuzahlen und diese dann selbständig Bitcoin kaufen zu lassen. Dann bezahlt man keine Kapitalgewinnsteuern. Das ist aber weder in viel anderen Ländern der Fall, noch ist es die Regel, dass die Mehrheit des Aktionariats aus Privatpersonen besteht. Die genauen Details müssten da von Land zu Land abgeklärt werden. Aber klar ist, dass Unternehmen mit starkem Aktionariat ausserhalb der Schweiz grössere Incentivierung haben, Bitcoin auf die Bilanz zu nehmen.
Welche konkreten Unternehmen könnten das sein?
Die spektakuläre Aktienperformance der Unternehmen, welche Bitcoin als Treasury-Asset (Reservewährung quasi) nahmen, haben Finanzanalysten auf den Plan gerufen. So hat Baris Serifsoy, Partner bei GreenCap Partner, einem auf erneuerbare Energien fokussierter Anlageberater, eine Liste mit den ähnlichen, obenstehenden Kriterien veröffentlicht. Er suggeriert damit, das eine Investition in diese Unternehmen Sinn macht:
Die ist jetzt noch sehr stark auf die USA und damit den S&P 500 fokussiert.
Wäre ich aber bei den hiesigen, mitunter auf B2B Dienstleistungen fokussierten Bitcoin Firmen (wie Relai, Coinfinity, Lipa und viele mehr) aktiv, würde ich Listen anhand der obenstehenden Kriterien zusammenstellen.